Wohnen mit MS: My Home is My Castle
Bei einigen Verlaufsformen geht eine MS-Erkrankung mit körperlichen Einschränkungen einher. Auch wenn sich nur bei einem Teil der MS-Patienten Gehbehinderungen entwickeln, stellen sich die Betroffenen nach einer Diagnose häufig die Frage: Kann ich dauerhaft in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Barrierefreies Wohnen ist wichtig, um möglichst lange selbstbestimmt und unabhängig zu bleiben, falls die Erkrankung trotz Therapie doch mit erheblichen körperlichen Einschränkungen einhergeht. Wir geben Tipps, worauf Betroffene achten sollten und welche Möglichkeiten sie haben, ihre Wohnung den individuellen Bedürfnissen anzupassen. Und auch wenn mehr Unterstützung nötig wird, gibt es sinnvolle Optionen.
Umzug oder Umbau? Frühe Planung ist sinnvoll.
Die aktuelle Wohnsituation frühzeitig überdenken und planvoll vorgehen
Um trotz MS-Diagnose mit einem ungünstigen Verlauf weiterhin möglichst selbständig leben zu können, sollte der Wohnraum den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Betroffenen sollten sich also aktiv die Frage stellen: Wie kann die eigene Situation in einigen Jahren auch im ungünstigen Verlaufsfall aussehen. Wohnungen in oberen Etagen ohne Aufzug können unter Umständen zur Last werden. Ist außerdem genügend Platz vorhanden, um eventuell nötige Gehhilfen nutzen zu können? Besitzen Badewannen oder Duschkabinen einen hohen Einstieg, der das Risiko mit sich bringt, auszurutschen? Diese Dinge liegen eher auf der Hand, aber das Wohlbefinden von MS-Patienten hängt teilweise auch von eher unscheinbaren Faktoren ab. Beispiel: Wohnungen, die sich im Sommer stark aufheizen, können aufgrund des Uhthoff-Phänomens unangenehm werden. Falls diese oder ähnliche Rahmenbedingungen vorliegen, sollte langfristig ein gut geplanter Umzug oder Umbau erwogen werden, damit dies nicht plötzlich zu ungünstigen Konditionen erfolgen muss. Wenn die Wohnung keine unüberwindlichen Hindernisse aufweist, steht dem Verbleib in den eigenen vier Wänden also nichts im Wege.
Kabel, Türschwelle, Teppich: Stolperfallen entfernen
Zu den häufigsten MS-Symptomen zählen Seh- und Gangstörungen. Barrierefreies Wohnen bedeutet also: für Bewegungsfreiheit sorgen, Platz schaffen und Stolperfallen entfernen. Türschwellen oder hohe Teppichkanten können leicht zum Hindernis werden. Hier helfen Schwellenrampen. Entfernen oder verdecken sollte man auch offen verlegte Kabel. Bei sehr glatten Böden kann ein rutschfester Belag empfehlenswert sein.
Rutschfester Untergrund und Haltemöglichkeiten: Das Badezimmer absichern
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Gestaltung des Badezimmers. Fliesen sollten mit einem rutschfesten Bodenbelag abgedeckt werden. Auch das Ein- und Aussteigen aus Wanne und Dusche wird durch rutschfeste Matten erleichtert. Die Dusche ist im Idealfall ebenerdig. Dadurch wird es deutlich sicherer, diese zu betreten. Ist genügend Platz vorhanden, kann sich außerdem ein Duschstuhl als hilfreich erweisen. Haltegriffe an den Wänden sorgen für zusätzliche Sicherheit. Wenn Bohrlöcher vermieden werden sollen oder flexible Lösungen gefragt sind, können mobile Haltegriffe eine sinnvolle Alternative sein. Diese lassen sich mit einem Vakuumverschluss an den meisten, glatten Oberflächen befestigen. Ausreichend viel Platz für einen Hocker vor dem Waschbecken, kann an schlechten Tagen helfen, die “Katzenwäsche” zu erleichtern. Und wenn das Waschbecken auch im Sitzen genutzt werden soll, bietet sich ein kippbarer Spiegel an.
Im Badezimmer können Haltegriffe und Sitze das Leben für MS-Patienten erleichtern.
Räume und Möbel an die Bedürfnisse anpassen
Auch beim Mobiliar gibt es einige Möglichkeiten, die den Alltag erleichtern können. Zu niedrige Sitzgelegenheiten erschweren das Aufstehen unnötig. Aus diesem Grund sollte auch das Bett ausreichend hoch sein. Ein höhenverstellbarer Lattenrost sorgt für zusätzlichen Komfort. Freistehende Kommoden oder Regale sollten nach Möglichkeit fixiert werden, um bei Gangunsicherheiten auch als Stütze genutzt werden zu können. Schränke mit ausziehbaren Fächern sind leichter zu handhaben und übersichtlicher. Ist ausreichend Platz vorhanden, erleichtert eine Sitzgelegenheit in der Garderobe das Anziehen der Schuhe. Um ein Aufheizen der Wohnung in den Sommermonaten zu verhindern, sollten wirksame Verdunkelungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wenn keine Rollläden vorhanden sind, können sich Thermovorhänge als nützlich erweisen. Wenigstens ein Raum in der Wohnung sollte zu einem kühlen Rückzugsort werden, um zusätzliche Belastungen durch das Uhthoff-Phänomen zu vermeiden. Und auch wenn wir aus Umweltschutzgründen alle selbstverständlich den Energieverbrauch einschränken wollen: Besonders für die ganz warmen Tage im Jahr kann eine (mobile) Klimaanlage eine sinnvolle Investition sein.
Wer soll das bezahlen? Pflegekasse, ärztliche Verschreibung und Kredite
Vor der Umgestaltung der eigenen Wohnung bietet sich eine ausführliche Beratung an, welche Zuschüsse zur Verfügung stehen. Je nach Pflegegrad zahlen Pflegekassen bis zu 4000 Euro für sogenannte wohnumfeldverbessernde Maßnahmen. Gemeint sind damit etwa der Einbau einer neuen Dusche oder eines Treppenlifts, das Verbreitern von Türen oder der Umbau von Mobiliar. Die Förderung für barrierefreies Wohnen kann nur einmal beantragt werden – und zwar ausdrücklich vor dem Start des Umbaus oder Kaufs -, danach sind erst bei der Einstufung in eine höhere Pflegestufe weitere Maßnahmen möglich. Wer einen höheren Finanzierungsbedarf hat, kann bei der KFW einen zinsgünstigen Kredit von maximal 50.000 Euro beantragen. Das entsprechende Programm trägt den Namen „Altersgerecht Umbauen (159)“, ist aber auch für Personen mit einer einschränkenden Erkrankung verfügbar. Alltagshelfer, wie beispielsweise Haltegriffe, können zudem mittels ärztlicher Verordnung von Sanitätshäusern bezogen werden. Die behandelnden Ärzte, sowie die Krankenkasse sollten also frühzeitig in die Planung miteinbezogen werden.
Im Idealfall ist die Wohnung für den Einsatz eines Rollstuhls geeignet (Beispielbild mit Fotomodel).
Das allein Wohnen wird schwierig? Es gibt Alternativen
Viele Betroffene schrecken vor der Aussicht zurück, auf ein Wohnangebot in einem Pflegeheim zurückgreifen zu müssen. Zunächst einmal: Es gibt zahlreiche ganz hervorragende Einrichtungen, die nicht nur professionell betrieben werden, sondern die sich auch durch eine schöne Wohnsituation auszeichnen. Informationen über die möglichen Einrichtungen lassen sich ebenfalls bei den Interessenvertretungen anfragen. Doch es gibt auch zahlreiche Alternativen, vor allem für Betroffene mit weniger schwer ausgeprägten Einschränkungen. So genannte Servicehäuser bieten sich für Personen an, die allein wohnen möchten und nur gelegentlich Unterstützung in Alltagdingen benötigen. Hier lassen sich hauswirtschaftliche und pflegerische Serviceleistungen flexibel dazu buchen, die Ausgestaltungen der eigentlichen Wohnsituation hingegen steht den Bewohnern vollkommen frei. Noch flexibler ist das Zusammenleben von Betroffenen in einer MS-WG: Hier lässt sich der Alltag in echter Eigenregie und mit gegenseitiger Unterstützung organisieren.
Fazit: Finanzierungsoptionen prüfen und Austausch suchen
MS-Patienten stehen zahlreiche Möglichkeiten offen, die Wohnsituation den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Unterstützt werden sie durch die Verschreibung von Alltagshilfen, durch die Übernahme von Kosten durch die Pflegeversicherung und durch günstige Kredite für Umbaumaßnahmen. Fachverbände wie die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft e.V oder Selbsthilfegruppen bieten zudem weitreichende Beratungsmöglichkeiten an. Dort lässt sich zudem von der Erfahrung anderer Betroffener profitieren. So erhält man aus erster Hand wertvolle Tipps, welche Alltagshelfer sich besonders bewährt haben und welche weiteren Finanzierungsmöglichkeiten bestehen.