Geistig fit im Alter: So erhalten Sie Ihre kognitiven Fähigkeiten
Es ist nicht gleich Demenz, wenn man mal vergessen hat wo die Autoschlüssel liegen oder was – außer Milch und Eiern – man noch vom Einkauf mitbringen sollte. Auch wenn die vorwitzigen Enkelkinder das ihren lieben Großeltern gerne allzu schnell mal vorwerfen. Wie die Falten im Gesicht, so hinterlässt das Alter auch im Gehirn Spuren, die manchmal eben sichtbar werden. Es ist ein normaler Prozess, dass die Vergesslichkeit zunimmt, während die Reaktionsfähigkeit nachlässt. Zum Ausgleich lässt sich im Alter jedoch auf Besonnenheit und einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Doch wie genau altert das Gehirn und wie kann man seine Leistung optimal erhalten?
Die grauen Zellen – Was steckt dahinter?
Auf dem Weg des Erwachsenwerdens wächst das menschliche Gehirn auf etwa 100 Milliarden Nervenzellen heran. Diese werden durch ebenso viele Gliazellen gestützt und geschützt. Eine Nervenzelle besteht aus dem Zellkörper, einem Axon und den Dendriten. Das Axon ist der Sendemast der Nervenzelle, ein länglicher Fortsatz, über den Signale vom Zellkörper weg zu anderen Nervenzellen geleitet werden. Axone können eine Länge von über einem Meter erreichen. Dendriten dagegen sind die Empfangsstationen. Sie können sich mit den Axonen anderer Nervenzellen verbinden und Signale zum Zellkörper hinleiten. Die Verbindungspunkte zwischen Axonen und Dendriten nennt man Synapsen. Die Gliazellen finden sich vermehrt im Bereich der Axone, denn sie bilden unter anderem die Myelinschicht, eine Fettschicht, die die Nervenzellen voneinander isoliert, so wie die Plastikhülle um ein Stromkabel. Die Hirnrinde, der Cortex, setzt sich überwiegen aus den Zellkörpern zusammen. Aufgrund des Erscheinungsbildes spricht man auch von der grauen Substanz – oder eben den grauen Zellen. Im inneren des Gehirns verlaufen überwiegend die Axone. Wegen der schützenden Fettschicht erscheint dieser Bereich weiß und wird daher auch weiße Substanz genannt. Die graue Substanz dient also der Informationsverarbeitung, die weiße Substanz der Informationsübermittlung.
Das Gehirn verliert Masse
Im Alter nimmt die Masse des Gehirns ab. Das betrifft sowohl die grauen Zellen als auch die weiße Substanz. Bis zu zehn Prozent der Nervenzellen können im Alter verloren gehen. Bei 100 Milliarden Zellen bleibt allerdings auch noch eine ganze Menge übrig. Schwerer wiegt tatsächlich der Verlust an weißer Substanz. Nervenimpulse werden dadurch möglicherweise weniger effizient verarbeitet. Dies kann sich in verminderter Feinmotorik oder allgemein verschlechterter Reaktionszeit bemerkbar machen. Altersbedingte Veränderungen der Blutgefäße sind ein bestimmender Faktor für den Abbau der Myelinschicht. Dieser wird verstärkt durch Risikofaktoren wir Bluthochdruck, Diabetes, hohe Fettwerte und natürlich auch schädliche Umwelteinflüsse, allen voran Rauchen. Dies alles führt dazu, dass die feinsten Blutgefäße nur noch unzureichend Sauerstoff und Mikronährstoffe transportieren können. Darunter leiden sowohl Myelinschicht als auch Nervenzellen
Netzausbau im Oberstübchen
Zudem lässt im Alter die Fähigkeit Synapsen zu bilden nach. Wichtiger als die Anzahl vorhandener grauer Zellen, ist deren synaptische Verknüpfung. Lernen bedeutet für das Gehirn, dass durch die Bildung von Synapsen Nervenzellen miteinander vernetzt werden, um komplexe Aufgaben zu bewältigen. So entstehen im Gehirn unterschiedliche Regionen, die für spezifische Aufgaben zuständig sind. Je häufiger eine bestimmte Aufgabe gelöst werden muss umso stärker entwickelt sich das entsprechende Netzwerk. Das ist vergleichbar mit einem Verkehrsnetz, bei dem stark befahrene Strecken ausgebaut werden. Strecken, die nicht mehr genutzt werden, verfallen jedoch mit der Zeit. Dieser Prozess findet das ganze Leben über statt, jedoch wird in jungen Jahren verstärkt das Netz ausgebaut, während im Alter zunehmend nicht genutzte Verbindungen abgebaut werden.
Abbauprozesse des Gehirns im Alter kompensieren
Das Gehirn bleibt jedoch bis ins Alter flexibel. Der normale Abbauprozess durch den Verlust von Substanz kann dadurch kompensiert werden, dass unterschiedliche Hirnareale zur Lösung von Aufgaben herangezogen werden, um eine normale Hirnfunktion aufrecht zu erhalten. Dieser Effekt wurde von der Studie 1000 Gehirne des Forschungszentrums Jülich beobachtet. Seit 2011 untersuchen die Forscher die Gehirne von mehr als 1000 Probanden im Alter zwischen 55 und 85 Jahren, um die Veränderungen im Gehirn im Laufe des Alterungsprozesses zu verstehen. Die bisherigen Ergebnisse legen allerdings auch Nahe, dass durch die Nutzung verschiedener Hirnareale mehr Ressourcen für eine Aufgabe gebunden werden. Dies könnte erklären, warum es im Alter schwerer fallen kann mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen.
Größerer Erfahrungsschatz im Alter
Wo die Jugend mit Tempo und Reaktionsschnelligkeit auftrumpft, kann das Alter auf Besonnenheit und Erfahrung zurückgreifen. Im Rahmen einer Studie des Leibniz-Instituts in Dortmund mussten Probanden unterschiedlichen Alters auf verschiedene Signale mit einem entsprechenden Knopfdruck reagieren. Während die jüngeren Probanden deutlich schneller waren, leisteten sich die älteren Studienteilnehmer weniger Fehler. Darüber hinaus fällt es älteren Menschen häufig leichter, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Dies dürfte an dem größeren Erfahrungsschatz liegen, über den man im Alter verfügt. Der Werkzeugkoffer ist gegenüber dem Jüngeren eben mit mehr als nur einem Hammer gefüllt. Und auch wenn die Suche vielleicht etwas länger dauert, hat man dann eben doch das passendere Werkzeug parat.
Übung macht den Meister
Älter werden stellt das Gehirn also vor eine Reihe neuer Herausforderungen. Doch dadurch wird nicht automatisch alles schlechter. Es gilt das Motto: Wer rastet, der rostet. So gut es geht körperlich und geistig aktiv zu bleiben, pflegt die Synapsen und hält das Gehirn vital. Auch wenn es mit zunehmender Lebenserfahrung weniger Neues zu entdecken gibt, lohnt es sich doch seine gewohnte Umgebung immer wieder mal zu verlassen. Neues lernen, wie eine Fremdsprache oder jonglieren, mag im Alter zwar schwerer fallen, doch kann es sogar dazu führen, dass die Hirnsubstanz wieder zunimmt. Diese Beobachtung machte im Jahr 2008 eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Untersucht wurden die Gehirne von 44 Probanden zwischen 50 und 67 Jahren. Die Gruppe sollte über drei Monate jonglieren erlernen und die Kleinkunst täglich trainieren. Die Gehirne der Probanden wurden mittels Kernspintomographie vor und nach der Trainingseinheit untersucht sowie nach einer dreimonatigen Trainingspause. Tatsächlich konnten die Forscher eine Zunahme der grauen Substanz in den Hirnbereichen feststellen, die für motorische Aufgaben zuständig sind. Nach der Trainingspause wurden diese Areale teilweise wieder zurückgebildet.
In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist
Geistige Fitness profitiert natürlich auch erheblich von einer allgemein guten körperlichen Verfassung. Neben körperlicher Aktivität kann eine ausgewogene Ernährung einen erheblichen Beitrag zum Erhalt der Gesundheit leisten. Ein abwechslungsreicher Speiseplan steigert nicht nur das Wohlbefinden, er stellt auch die Versorgung mit notwendigen Vitaminen und Spurenelementen sicher. Einige Lebensmittel werden sogar als Brain Food bezeichnet, da ihr Einfluss auf eine normale Hirnfunktion derart positiv sein soll (erfahren Sie hier mehr über Brain Food sowie den Einfluss von Ernährung auf die geistige Leistungsfähigkeit).
So bleiben Sie geistig fit bis ins hohe Alter
Mit dem Alter können geistige Fähigkeiten wie Konzentrationsvermögen, Reaktionsschnelligkeit oder auch die Leistung des Gedächtnisses nachlassen. Doch das Gehirn bleibt bis ins Alter flexibel und kann sogar wieder an Masse gewinnen, wenn es ausreichend trainiert wird. Zudem kann man im Alter zunehmend von seinen Erfahrungen profitieren. Eine gesunde Lebensweise, ausgewogene Ernährung sowie ein aktiver Lebensstil bilden die Grundlage für langanhaltende geistige Fitness. Gesellt sich dazu die sprichwörtliche Altersweisheit, also die Fähigkeit sich den Veränderungen des Alters zu stellen und auf seine Stärken zu besinnen, kann man ganz gelassen bei einer Partie Schach die vorwitzigen Enkel um ihr Taschengeld bringen.
Die 5 besten Tipps zum Erhalt der geistigen Fitness im Alter
1. Bleiben Sie körperlich aktiv
Sportliche Aktivität kann sich positiv auf ihre geistige Fitness auswirken. Besonders Ausdauersport ist dazu geeignet Denkvermögen, Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit zu steigern. Fahrradfahren, Schwimmen oder Wandern können je nach Veranlagung geeignet sein.
2. Lernen Sie etwas Neues
Egal ob es sich um eine neue Sprache, ein Instrument oder ein neues Kartenspiel handelt: Das Gehirn muss neue Strukturen ausbilden, und das hält fit. Sie haben noch nie eine Nusstorte gebacken? Dann ist jetzt der beste Zeitpunkt das zu lernen!
3. Pflegen Sie soziale Kontakte
Begegnungen mit anderen Menschen sind der einfachste Weg, um geistig rege zu bleiben. Sie wollen die Kirsche auf der Sahne? Treffen Sie sich in Cafés, im Kino, Theater, Museum oder zum Waldspaziergang.
4. Beschäftigen Sie Ihren Kopf
Ob Kreuzworträtsel, Sudoku oder ein neues Buch lesen – alles hilft. Je mehr Abwechslung sie haben, umso besser. Es gibt zudem eine ganze Fülle an Rätselprogrammen für PC, Tablet oder Handy. Sie kommen mit diesen Geräten nicht gut zurecht? Ausgezeichnet, lernen Sie das!
5. Schafen Sie gut
Schlaf dient nicht nur der Erholung und gibt Kraft für den nächsten Tag, alles neu erlernte wird zudem im Schlaf am besten abgespeichert. Auch deswegen ist eine erholsame Nacht so wichtig für uns.